Cyber.s.e.x im Kinderzimmer

In den Chat-Räumen des Internet treffen Jugendliche häufig auf äußerst zweifelhafte Freunde. Kinderschützer fordern stärkere Kontrollen seitens der Betreiber.

Wenn Mutti ins Kinderzimmer schaut, sieht alles ganz harmlos aus. Töchterchen sitzt am Computer, auf dem Bildschirm führen lustige Comicfiguren durchs Menü, zwei geschlechtslose bunte Wollknäuel kuscheln unschuldig.

Bei Knuddels.de scheint die Welt noch in Ordnung. Das ändert sich schnell, wenn man im Menü in die "Under 18"-Zone klickt. Denn die "mutti- und papifreie Bude", eigentlich als Treffpunkt für elterngeplagte Teenager gedacht, zieht auch Kunden an, die eher mit Haarausfall zu kämpfen haben als mit dem ersten Bartflaum. In manchen Foren herrscht eine Atmosphäre wie auf dem Straßenstrich.

"Wie groß sind deine Titten?", "Schon Sex gehabt?", "Willst du CS (Cybersex)?" sind nur die Einstiegsfragen. Ungebeten verschicken Online-Lüstlinge Videos von ihren Geschlechtsteilen und Masturbationsszenen, bestellen getragene Höschen und gelocktes Schamhaar bei ihren minderjährigen Chat-"Freunden". Und oft versuchen sie, sich mit den Kindern zu treffen.

Für Eltern, Psychologen und Polizei sind solche völlig unkontrollierten Kontaktbörsen der pure Graus. Kinderschützer fordern den Einsatz von Moderatoren, die alle Beiträge der Plauderseiten vorab lesen; sie wollen eine strikte Trennung von Kindern und Erwachsenen und ein Ende der Flüsterfunktionen, bei denen Botschaften unter Ausschluss der Öffentlichkeit von Chatter zu Chatter geschickt werden.

Doch das ist personalintensiv und den meisten Anbietern wohl zu teuer. Schließlich sind sie nicht verpflichtet, den Schmuddel von den Kindern fernzuhalten. Der Gesetzgeber vertraut auf die "regulierte Selbstregulierung", so nennt das Verena Weigand von der Kommission für Jugendmedienschutz.

So könne "das nicht funktionieren", bemängelt Bremens Innensenator Thomas Röwekamp. Allein auf den guten Willen der Internet-Lobby könne man nicht vertrauen. Röwekamp drängt auf erweiterte polizeiliche Befugnisse und eine "Mindestspeicherungsfrist" der Internet-Daten, die es auch nachträglich ermöglichen, den Täter aufzuspüren. Eine EU-Richtlinie dazu gibt es schon.

Seit 1997 gibt es die "Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter" (FSM), allerdings dient dieser Verein eher der Imagepflege der Online-Wirtschaft. Die von der FSM betriebene Beschwerdestelle ist unter Chattern weitgehend unbekannt.

"Für völlige Sicherheit konnten wir bislang nicht sorgen", räumt Holger Kujath ein. Der Betreiber von Knuddels.de arbeitet derzeit an einem eigenem Notrufsystem.

Derweil wächst die Klientel unaufhörlich an. Laut einer Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest von 2005 sind 48 Prozent aller 12- bis 19-Jährigen wenigstens einmal durch einen Chatroom gestreift. 31 Prozent der Internet-Surfer besuchen den virtuellen Kontakthof exzessiv. Hauptmotiv: die Suche nach neuen Bekanntschaften, Freunden oder Flirts.

Dass fast jeder zweite Jugendliche (45 Prozent) im Cyberspace schon beschimpft oder sexuell belästigt wurde, ist angesichts mangelhafter Kontrolle wenig erstaunlich.

"Gerade die speziell für Kinder vorgesehenen Foren und Chat-Räume werden zur Falle. Hier bekommen die Täter ihre Opfer auf dem Silbertablett präsentiert", sagt Beate Schöning, Gründerin des Kinderschutzvereins "Netkids". Sie weiß, was im Internet abgeht. Getarnt als "MarieClaire13w" oder "Leila12", hat sie sich selbst durch die virtuellen Jugendtreffs geklickt.

Seit fünf Jahren tourt Schöning mit Vorträgen und einem Lehrfilm durchs Land. Sie will Schüler, Lehrer und vor allem die Eltern aufklären. Aufklären, dass Kinder in einem Chat zwischen Leuten, die sich "BoyfürneNacht" oder "Nimmmich" nennen, nichts zu suchen haben.

Eine britische Studie aus dem vergangenen Jahr ergab: Nur sieben Prozent der Eltern wissen, welchen Belästigungen ihre Kinder ausgesetzt sind. Für Väter und Mütter, die gestern noch dachten, die Freunde ihrer Kinder persönlich zu kennen, sind Schönings Vorträge ein Schock. Sie haben Kindergeburtstage ausgerichtet, Kontakt zu anderen Eltern gehalten, den Nachwuchs vom Turnen abgeholt - das alles, um sicherzugehen, dass der Spross auch den richtigen Umgang pflegt. Und sie waren stolz, dass der Stammhalter so virtuos mit dem Computer spielt. Von zweifelhaften Freunden im Netz haben sie nichts geahnt.

Schöning hat eine ganze Liste parat mit Fällen, bei denen Internet-Bekanntschaften böse endeten:

* Im Dezember 2002 wird eine 12-Jährige aus Braunschweig von ihrem Chat-"Freund" aus Magdeburg vergewaltigt.

* Anfang 2003 entkommen zwei 14-Jährige nur knapp ihrer Internet-Bekanntschaft, einem Familienvater, der Pornobilder von ihnen machen will.

* 2004 bietet ein Chat-"Freund" aus dem Kreis Ludwigsburg einem Mädchen 5000 Euro für die Entjungferung. Die 13-Jährige nimmt an. "Es war so viel Geld", entschuldigt sie sich später bei ihren Eltern.

Im Jahr 2004 wurden zehn Kinder Opfer sexueller Gewalt durch meist wesentlich ältere Chat-Bekanntschaften, berichtet Schöning. Doch ihre Sorge gilt auch jenen, die sich Tag für Tag den sexuellen Verbalattacken aussetzen.

Die Frankfurter Gymnasiastin Alex, 14, und ihre Freundin Monika, 15, sind seit etwa zwei Jahren im Netz unterwegs - sie wollen Jungs kennenlernen. Früher waren sie bei Knuddels, heute nutzen sie "ICQ". Knuddels war ihnen zu "versaut". Ein, zwei Stunden am Tag können sie mit den virtuellen Plaudereien verbringen, am Wochenende auch mal drei. "Im Chat ist es doch viel einfacher, einen Typen anzusprechen, als auf dem Schulhof", erklärt Alex das zeitraubende Hobby.

Chatten ist in. Wer nicht "drin" ist, gilt als out. Für die jungen Surferinnen scheint der Reiz gerade im Fremden, Anonymen zu bestehen. Das Risiko, glauben die Mädchen, hätten sie im Griff. "Klar werde ich oft nach CS gefragt", sagt Alex cool. Wie oft sie schon aufgefordert wurde, sich auszuziehen oder Nacktbilder zu verschicken, kann sie nicht mehr zählen. "Die Typen klicke ich einfach weg", sie werden per "Ignore-Button" kaltgestellt. Alles total normal für die 14-Jährige.

So normal wie die Geschichte von "Checkaaa". Checkaaa schrieb ganz nett, schickte ein Foto von sich beim Fußballtraining. Das hat Alex gut gefallen. So um die 18 muss er gewesen sein. Dann schickte er ein Nacktfoto, in eindeutiger Pose. Alex hat es Monika gezeigt, die Mädchen lachten und verbannten Checkaaa aus ihrer Chat-Liste. Nein, schlechte Erfahrungen im Netz hätten sie noch nicht gemacht, sagen sie.

Für die Medienpädagogin Behrens ist gerade diese Normalität ein Problem: "Die Kinder stumpfen ab und können in wirklichen Gefahrensituationen die Alarmglocken nicht mehr hören."

Untersuchungen darüber, wie belastend solche Erlebnisse für die Kinderseelen sind, gibt es bislang nicht. Solrun Jürgensen, Pädagogin und Therapeutin bei "Schattenriss", einer Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch, fürchtet jedoch: "Die Kinder werden die Bilder nicht mehr los." Häufig werden die jungen Chatter auch von Schuldgefühlen geplagt. "Weil sie doch irgendwie auch selbst aktiv waren, sich freiwillig dem Täter genähert haben", erklärt Jürgensen.

Auch Alex und Monika behalten ihre Internet-Erlebnisse für sich. "Wenn wir das unseren Müttern erzählen, dürfen wir doch nie mehr chatten", befürchten sie.

Der Schmuddelkram im Netz berührt ein Tabu. Den Eltern, die gestern noch von Bienchen und Blümchen erzählten, ist der vulgäre Cybersex peinlich - in vielen Fällen entzieht er sich wohl auch ihrer Vorstellungskraft. Die Internet-Aktivitäten der Erwachsenen beschränken sich meist auf Online-Banking, Shoppen bei Ebay und die Suche nach dem richtigen Urlaubsziel. Doch selbst wenn sie dem Nachwuchs über die Schultern schauen: Dem atemberaubenden Tempo des Dialogs und einer Sprache, die auf Abkürzungen wie "CS" und "Tel6" baut, könnten sie kaum folgen. So bleiben die Machenschaften der Triebtäter meist unbemerkt.

"Das Anzeigeverhalten ist miserabel", klagt denn auch Jörg Pecanic, Koordinator gegen Kinderpornografie beim Landeskriminalamt Niedersachsen. Auch bei den Ermittlern gibt es Aufklärungsbedarf. Rainer Richard, einer der dienstältesten InternetRechercheure bei der Polizei, versucht mit Seminaren und Vorträgen auch seine Kollegen für das Thema zu sensibilisieren.

Tatsächlich ist in den Polizeirevieren das Problembewusstsein ausbaufähig, wie Manuela R. erfahren musste. Sie war gut präpariert, als sie Anzeige gegen "Cocolinth" erstatten wollte. Der angebliche Chat-Freund hatte ihre zwölfjährige Tochter auf der Seite von Knuddels.de über ihren Körperbau befragt und sie zu einem Treffen überreden wollen. Einem anderen Mädchen hatte Cocolinth angeboten, bei der Vergewaltigung einer Freundin zuzusehen. Das alles hatte Manuela R. fein säuberlich dokumentiert. Die Polizei wies sie ab. Es sei ja nichts passiert. Sie solle Cocolinth ignorieren oder ihrem Kind das Chatten verbieten.

Ganz anders gehen Beamte in Niedersachsen das Problem an. Ein 33-jähriger Mann aus Braunschweig, der im Internet als "Sickter Hengst" sein Unwesen trieb, wurde festgenommen und zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Der Mann hatte sich auf obszöne Weise verbal an vier Mädchen und Jungen zwischen 10 und 14 Jahren vergangen. Einer Zehnjährigen bot er an, Nacktfotos zu einem Treffen mitzubringen. Die wachsame Mutter ging auf das Rendezvous im Braunschweiger Prinzenpark ein und alarmierte die Polizei. Die nahm den Mann, der mit Kamera und Dildo erschien, fest.

Um solche Kerle schon im Vorfeld zu erwischen, setzt das Landeskriminalamt in Niedersachsen, wie bereits vorher in Bayern und Baden-Württemberg, auf sogenannte anlassunabhängige Ermittler. Rund 50 dieser Cybercops gibt es bundesweit - viel zu wenig, um Sittenwächter in jedem Online-Darkroom zu platzieren. Auch für Eltern ist eine Kontrolle unrealistisch. Zugänge zum Internet gibt es an jeder Straßenecke.

Trotz der Gefahren, die in den Tiefen des Cyberspace lauern, rät Medienpädagogin Behrens, das World Wide Web nicht zu verteufeln. "Wer seine Kinder gezielt an das Internet heranführt und begleitet, sollte sich keine Sorgen machen."

Und der Computer muss ja nicht unbedingt im Kinderzimmer stehen.

ULRIKE DEMMER, UDO LUDWIG
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